>presse>2002.02

Furttaler vom 22. Februar 2002

BUCHS: Aus dem Oberstufenschulhaus Petermoos

 

Auf der Suche nach neuen Lerngruppen

 

In ihrer Weiterbildung befassste sich die Lehrerschaft des Petermoos mit dem Thema "Schwierige Schüler". Fazit: Ausschlagggebend für disziplinarische Schwierigkeiten ist der unterschiedliche Grad der Reife bei den Jugendlichen.

Die einen balgen sich unter den Schulbänken um einen Ball, während auf andere der Freund im eigenen Auto wartet. Einige getrauen sich nicht allein mit dem Velo zum Schulzahnarzt in Regensdorf zu fahren, während andere mit der letzten S-Bahn vom Ausgang zurückkommen.

Im vergangenen Schuljahr befasste sich die Lehrerschaft des Oberstufenschulhauses Petermoos im Rahmen ihrer Weiterbildung intensiv mit dem Thema "Schwierige Schüler". Ursache für unangepasstes Verhalten sind vor allem die grossen Unterschiede in der Entwicklung der Persönlichkeit. Gleichaltrige Burschen und Mädchen sind ganz verschieden reif.

Vier bis fünf Jahre Unterschied

Gemäss dem Leiter der pädagogischen Arbeitsstelle des Dachverbandes der Schweizer Lehrerschaft, Dr. Anton Strittmatter, klafft der Entwicklungsstand der Kinder beim Übertritt in die Oberstufe bis zu fünf Jahren auseinander. Dank stützender Massnahmen wie Förderunterricht oder Wiederholung von Klassen und dank der Aufteilung der Kinder in Abteilungen mit verschiedenen Anforderungen gelingt es, die Jahrgangsklassen leistungsmässig einigermassen einheitlich zusammenzusetzen.

Die Unterschiede in Bezug auf Interessen, Selbständigkeit, Durchsetzungsvermögen, Arbeitstempo, Selbstbewusstsein, Selbstbeherrschung, Wille, Ausdauer, Eigenverantwortung, Einfühlungsvermögen, Toleranz, Ernsthaftigkeit und Geschick im Umgang mit Mitmenschen werden immer grösser. Die Kinder in der gleichen Klasse sind immer verschiedenartiger, die Klasse also immer heterogener zusammengesetzt.

Ein Teil einer Schulklasse hat einen Auftrag schon beendet, bevor andere dazugekommen sind, sich zu überlegen, was überhaupt zu tun ist. Einige beschäftigen sich intensiv mit den Auseinandersetzungen in Afghanistan oder Israel, während es andere nicht interessiert, wie die Quartiere und Dörfer um ihre Wohnung herum heissen. Vor allem im Fachbereich "Mensch und Umwelt", in dem zu Allgemeinwissen verholfen wird, und bei der Schulung eines erfolgversprechenden Sozialverhaltens können die Lehrer und Lehrerinnen nicht mehr allen Kindern in der Klasse gerecht werden. Einige langweilen und ärgern sich, andere sind überfordert und desinteressiert.

Heterogenität als Chance

Bei der Vorbereitung der Weiterbildung stellte sich bald heraus, dass die Heterogenität an der Oberstufe ein allgegenwärtiges Problem darstellt, aber kaum jemand in der Lage ist, Lösungen anzubieten.

Dank der Mithilfe des Präsidenten des Mehrklassenlehrervereins konnten die Petermoos-Lehrer im November Schulen besuchen, die andere Wege gehen. In Alterswilen TG, Oetwil am See und in Birmenstorf AG fanden sie Kollegien, welche die Heterogenität eher als Chance denn als Problem verstehen. Sie sind sich einig, dass Jahrgangsklassen der heutigen Situation nicht mehr gerecht werden können. In altersgemischten Lerngruppen kann besser auf die entwicklungsbedingten Unterschiede der Kinder eingegangen werden.

Gemischte Lerngruppen

In Alterswilen werden die Schüler gar nicht mehr in Jahrgangsklassen eingeteilt. Sie werden jahrgangsgemischten Lerngruppen zugeteilt, auch auf eine Leistungsdifferenzierung wird verzichtet. Dies hat zur Folge, dass ein grosser Teil des Unterrichtes (Deutsch, Mathematik, Realien) total individualisiert stattfindet. Der Stoff ist in viele kleine Arbeitsschritte und Arbeitsaufträge unterteilt, welche die Schüler selbständig lösen.

Damit sie nicht ganz sich selbst überlassen sind, werden Lerngruppen gebildet. Ein älterer Schüler ist Chef und hilft vor allem beim Planen der verschiedenen Arbeiten.

Daneben werden vor allem in den Sprachen, im Werken, im Sport und in Chemie und Physik Kurse angeboten, die der Schüler gemäss seinen Interessen und Fähigkeiten wählen kann.

Altersgemischtes Lernen ermöglichen

Erfahrungen und Erkenntnisse der Schulbesuche wurden im Petermoos intensiv diskutiert und aufgearbeitet. Die Lehrerschaft erarbeitete Vorschläge, um die durch die grosse Heterogenität in den Klassen entstehenden Probleme besser meistern zu können. Man wurde sich schnell einig, dass im neuen Stundenplan versucht werden soll, einige Zeitgefässe zu schaffen, die Unterricht in jahrgangsübergreifenden Lerngruppen ermöglichen.

Grosszügiger dispensieren

Auch die Bildung von kleinen Lerngruppen, in denen reifere Schüler Verantwortung für das Lernen von Mitschülern übernehmen, wird von einzelnen Lehrerinnen und Lehrern erprobt werden. Zudem sollen Schülerinnen und Schüler, die dem Fremdsprachunterricht nicht mehr zu folgen mögen und dadurch den Lernerfolg der übrigen Klasse behindern, grosszügiger dispensiert oder ausgeschlossen und mit klar formulierten Arbeitsaufträgen aus andern Fächern anderen Klassen zugeteilt werden.

Die Durchlässigkeit, der grosse Vorteil für die Schülerinnen und Schüler der Gegliederten Sekundarschule, bedingt für den Unterricht in verschiedenen Niveaugruppen einen starren Stundenplan. Die Lehrerschaft ist bereit, mit altersgemischten Lerngruppen Erfahrungen zu sammeln. Vorläufig werden der Stundenplan und geltende Vorschriften Grenzen setzen. Längerfristig soll aber die Frage der Bildung von altersgemischten Klassen weiterverfolgt werden.